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Herrn
Dr. Peter Wickler
c/o Thüringer Justizministerium
Kommission Gutenberg
Alfred-Hess-Straße 8

99094 Erfurt


Sehr geehrter Herr Dr. Wickler,

ich habe lange überlegt, ob ich von mir aus auf Sie zukomme, denke aber heute, dass dies einfach sinnvoll ist. Einerseits, weil ich denke, dass es Ihre Arbeit vielleicht erleichtert und weil ich immer noch die Hoffnung habe, dass eine umfassende Sachaufklärung der Umstände des 26.04.2002 erfolgt.

Zunächst übersende ich Ihnen anliegend Kopien der Fragelisten, die der Staatskanzlei und dem Innenministerium übergeben worden sind. Zudem übergebe ich Ihnen anliegend Kopien der Antworten sowie meiner Notizen. Soweit bei den Antworten Seiten fehlen, wurden diese mir nicht ausgehändigt, da Herr Kunkel dies aufgrund der Art der Abfassung der Antworten nicht für opportun hielt.

Hintergrund dieser Fragen war eine Vereinbarung mit dem Minister der Staatskanzlei, Herrn Gnauck, und dem Innenminister, Herrn Köckert, mit dem Unterzeichner. Inhalt dieser Vereinbarung war, dass sämtliche Fragen der Angehörigen rückhaltlos und inhaltlich vollständig beantwortet werden.

Das ablehnende und herzlose Antwortschreiben der Staatskanzlei vom 29. Juli 2003 gebe ich Ihnen anliegend zur Kenntnis.

Dieses Schreiben hat überrascht, weil ich mehrfach erklärt habe, dass es nicht mein Ziel ist, Klagen von Angehörigen gegen das Land oder Dritte zu führen und ich werde dies auch nicht tun. Andererseits wurde seitens der Landesregierung stets betont, dass, soweit sich berechtige Ansprüche einzelner ergäben, diese selbstverständlich ohne entsprechende Klageverfahren erledigt würden. Hiervon ging ich bis besagtem Schreiben der Landesregierung auch aus. Der Wortlaut des Schreibens der Staatskanzlei verdeutlicht nun aber etwas anderes, wofür ich, wie Sie verstehen werden, kein Verständnis haben kann.

Dass Fragen einzelner Angehörige von mir direkt beantwortet werden können, weil sich deren Antworten aus den Ermittlungsakten ergeben, liegt auf der Hand. Die Landesregierung hatte versichert jede Frage einzelner Angehörtiger direkt zu beantworten, um das geschwundene Vertrauen der Angehörigen zu ihr wieder aufzubauen . Dies steht aus .

Für jede Art der Emotionalität bitte ich um Entschuldigung, aber es fällt schwer, den notwendigen Abstand zu wahren.

Im Nachfolgenden gehe ich auf weitere Fragestellungen ein, die sich separat und zusätzlich zu den bislang eingereichten Fragen ergeben oder erläutere die Intentionen der Fragestellung. Einzelne Themenkomplexe sind ausgespart, weil die jeweiligen Angehörigen eine Aufklärung gar nicht wünschen oder mir gar verboten haben, Fakten über ihre Lebenspartner weiterzugeben.

Es läge mir am Herzen, wenn sich die Kommission mit diesen Punkten auseinandersetzen und die offenen Punkte im Sinne der Sache endlich beantworten würde.

Ich erlaube mir eine Kopie dieses Schreibens den Angehörigen zur Kenntnis zu geben.


Fragekomplexe:

Einsatz allgemein und allgemeine Fragen

1) Warum sind Lehrer und Schüler derart spät vernommen worden? Bereits am 28. oder 29.04.2002, also noch bevor die Lehrer vernommen wurden sind, sind diese ins Kultusministerium eingeladen worden. In diesem Zusammenhang hat ein Sprecher der Polizei versucht, den Tathergang den Lehrern zu schildern. Mithin erfolgten Schilderungen vor der eigentlichen Zeugenvernehmung. Kann man danach noch davon ausgehen, dass die Lehrer unvoreingenommen die Situation schildern?

2) Warum ist das Erdgeschoss nicht sofort oder zeitnäher evakuiert worden, obwohl ausreichend Beamte die Sicherheit im Erdgeschoss und in einem Teil des ersten OG bereits kurz nach 11:25 Uhr sichergestellt hatten?

3) Warum sind die im Sekretariat vorhandenen Personen während des Einsatzes zum Geschehen, zu den Räumlichkeiten und in sonstiger Weise nicht befragt worden, obwohl ihre Anwesenheit bekannt war und diese stets versuchten, das Telefon zu diesem Zweck freizuhalten?

4) Warum sind die Projektile im Frühjahr 2003 vernichtet worden, obwohl der Abschlußbericht noch immer vorläufig ist?

5) Warum hat die Einsatzleitung, wenn es sie dann gegeben hat und/oder Grube von der Aussage H gegenüber den Polizisten keine Kenntnis erhalten? Wann hat er erfahren, daß sich ein Täter eingeschlossen hat? Aus den Funkverschriftungen ergibt sich keine Weitermeldung der Aussage. Überhaupt ist nicht erkennbar, dass die einzelnen Meldungen aus den Räumen der Schule an irgendeinem Ort zusammengetragen und/oder auch nur weitergemeldet worden sind. Wie hat diese Koordinierung stattgefunden?

6) Warum dürfen Obduzenten, Polizisten, wie auch Angehörige der Rettungskräfte nicht mit Angehörigen sprechen? (Aktennotiz des Leiters Polizei und der Staatsanwaltschaft füge ich bei.)

7) Vom Fenster der zweiten Etage gegenüber dem Eingang Pestalozistrasse wurde gefilmt. Der Film wurde gesichert. Eine Auswertung findet sich nicht in den Ermittlungsakten. Wo ist sie?

8) Ist es korrekt, dass die Schule über eine Alarmanlage verfügte, die über ein Sprechsystem hätte geöffnet werden können, so daß Sprachaufnahmen aus den Klassenzimmern direkt zur Polizei übertragen worden wären?

9) Ausweislich des Durchsuchungsvermerkes bei Herrn K (Band 19 Seite 140) wurden sowohl Herr und Frau K vernommen, Herr K wohl auch als Beschuldigter. Vernehmungsprotokolle befinden sich nicht in der Akte der Vernehmungen. Wo sind diese?

10) Warum wurden die Sanitätshilfskräfte, sprich die Rettungsassistentin und Herr F, nicht zum Einsatz vernommen?

11) Warum wurde keine Standleitung aus dem Sekretariat aufgebaut, um den Einsatz im Haus zu koordinieren, wenn es keine Funkverbindung ins Haus gab?

12) Ausweislich eines Schreibens des Leiters der Kriminalpolizeiinspektion vom 13.05.2002 (Duplo-Sonderband, beginnend mit Zeitungsberichten) soll bis 24.05. der Polizeieinsatz und mögliche Anzeigen gegen Polizei und Rettungskräfte geprüft werden. Unterlagen hierzu befinden sich nicht in der Akte. Eine Prüfung ist entweder nicht durchgeführt oder zu anderen Ergebnissen gekommen. Nach einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft gibt es im Zusammenhang mit dem Massaker keine weiteren Ermittlungen. Was ist aus der Überprüfung geworden?

13) Herr K, Polizeidirektion Erfurt, berichtet zu seinem Schreiben an den Leiter des Führungsstabes vom 08.05.2002, es habe eine Auswertung des Festnetzanschlusses Gutenberg gegeben. Wo ist diese?

14) Aus Seite 64 Band 8 ergibt sich der Fund zweier Gewehrpatronen in der Adam-Ries-Straße. Ist die Herkunft zwischenzeitlich geklärt?

15) Waffenberechtigung
In Band 8 Seite 104 vertritt das Innenministerium, Referat 44, in einem Votum vom 29.04.2002 die Auffassung, dass der Munitionserwerbsberechtigung und der Erwerbsberechtigung für die Pumpgun nachgegangen werden muss, da es nicht ohne Weiteres für einen 19-jährigen Sportschützen üblich sei, eine entsprechende WBK auszustellen. Ein Ergebnis ist in der Akte nicht erkennbar.

Nach einem Bericht der TA ist es absolut unüblich, dass der Munitionskauf direkt bei Beantragung der Waffe genehmigt ist. Normalerweise soll eine entsprechende Genehmigung für den Munitionskauf erst erfolgen, wenn die Waffe gekauft ist und die entsprechende Rückmeldung beim Ordnungsamt eingegangen ist. Dies war für beide Waffen ausweislich der WBK nicht der Fall. Was ist richtig ?

16) In der Ermittlungsakte fehlende Unterlagen:

• Die Rettungsdienst- und Katastrophenschutzabschlussberichte, die die Stadt Erfurt gefertigt und der Staatsanwaltschaft übergeben hat, (Auskunft R vom 01.07.2003), wurden nicht Gegenstand der Ermittlungsakte. Entgegen der Zusage der Landesregierung alle Unterlagen zu erhalten, wurden diese dem Unterzeichner auch auf konkrete Anfrage nicht zur Verfügung gestellt. Vielmehr wurde der Unterzeichner an die Stadt Erfurt verwiesen, die eine Herausgabe an den Unterzeichner verweigert. Dennoch teilte die Staatsanwaltschaft dem Unterzeichner am 15.4.2003 mit, dass er über die gleichen Informationen wie die Staatsanwaltschaft verfügt. Eine Ton- und Schriftdokumentation der Zentralen Leitstelle, wie sie 5.2.4.  Landesrettungsdienstplan vorsieht, fehlt völlig.

• Aus Band 19 Seite 138 ergibt sich, dass von der dritten Hundertschaft der Bereitschaftspolizei Videoaufnahmen vom Außeneinsatz von 12:22 Uhr bis 16:04 Uhr gefertigt worden sind. Eine dritte Kassette gibt es von dem Einsatz der zweiten Hundertschaft am 30.04. Eine Auswertung ist in der Ermittlungsakte nicht ersichtlich. Wo befindet sich diese Auswertung?

• Was ist aus den Telefonauswertungen hinsichtlich des Anschlusses des Gutenberg-Gymnasiums und des Telefons Herrn S geworden?

17) Fehlerhafte Beschriftungen der Funkprotokolle und der vom Notruf geführten Gespräche: 

• Unverständlich ist die Auswertung der Beschriftung der Telefonnotrufe, die offensichtlich mit fehlerhaften Zeiten belegt sind. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der Akte 18 a und dem Aktenvermerk vom 13.01.2003. Selbst in der Überarbeitung ist es noch so, dass auf Kanal 2 um 11:02 Uhr der Diensthabende über Apparat 124 bereits von dem Schuss auf Herrn Gorski Kenntnis hat, obwohl Herr Gorski zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal am Tatort war.

• Herr F berichtet in seinem Interview, er habe den Funkverkehr die gesamte Zeit mitgehört. Es habe immer wieder Polizisten gegeben, die helfen wollten, was durch Aussagen von Polizisten bestätigt wurde. Der „Führungsstab" habe diese aber immer wieder gestoppt und darauf hingewiesen, das Objekt „sei gesperrt". Entsprechendes ist nicht verschriftet, woraus zu schließen ist, dass nicht der vollständige Funk und Telefonverkehr verschriftet ist. Korrespondierend berichtet Frau G, wiederum durch verschiedene Zeugen bestätigt, sie habe mehrfach bei der Polizei wegen der Verletzung von Herrn Lippe angerufen. Entsprechende Anrufe sind genauso wenig vermerkt wie verschriftet.

• Die Protokolle zum Funkverkehr des SEK fehlen völlig. Hat es einen  solchen nicht gegeben ?

• Gibt es eine ordnungsgemäße und vollständige Verschriftung der Anrufe und des Funks ?

18 ) Warum wurde Raum 111 nicht unverzüglich nach dem Schuss oder nach Eintreffen des SEK geöffnet, obwohl die Treppenhäuser bis dorthin und darüber hinaus bereits durch 7 Beamte gesichert waren?

20) War Herr R am Tatort?

21) Lagen dem BKA sämtliche vorhandenen Projektile vor? Diese Frage stellt sich, da erkennbar nicht alle Asservate aufgelistet wurden. So verblieb ein sichergestellter Schlüsselbund über Monate in privaten Fächern ohne das sich jemand erinnerte (S). Liegen die fehlenden 2 oder 3 Projektile und 1 oder 2 Hülsen betreffend des Komplexes Herr G eventuell auch noch irgendwo?

22) Schusswechsel E - S
Unklar bleibt die Problematik des Schusswechsels auf dem Schulhof. Die Zeugen B und D bestätigen genauso wie der Zeuge E, dass Herr E zweimal geschossen hat. Es gibt mehrere Kinder, die E bei dem Schusswechsel beobachtet haben und berichten, er habe mindestens dreimal geschossen. Die Ermittlungen des BKA untersuchen allerdings nur ein Projektil. Das zweite Projektil bleibt verschwunden. In der Waffe fehlt nur eine Patrone. Warum wird Herr E hierzu nicht befragt ?

23) Bergung Dr. Dettke
Aus der Akte ist nicht feststellbar, wer Frau Dr. Dettke auf dem Schulhof entdeckt hat, wann Rettungsmaßnahmen eingeleitet worden sind, wie diese eingeleitet worden sind, welche beiden Rettungssanitäter bei Frau Dr. Dettke als erste eintrafen, wann dies der Fall ist, wer das SEK aufgefordert hat, sie vom Schulhof zu tragen, und wann sie konkret Herrn P vorgelegt wurde. Die Antwort auf die Frage, wer die Sanitäter waren, wird mir unter Hinweis auf datenrechtliche Gründe verweigert. Warum versucht Herr P die Reanimation im Freien, obwohl er von ihrem Tod bereits über Funk wusste? Warum erfolgte keine Zeugeneinvernahme der Rettungssanitäter?

24) Obduktionen

a. Warum haben die Obduzenten die bereits zuvor von den Opfern gefertigten Röntgenbilder nicht zur Begutachtung erhalten ?

b. Warum sind bis heute alle bei der Ermittlungsakte vorhandenen Obduktionsberichte lediglich mit vorläufigen Gutachten belegt, obwohl die Ermittlungen abgeschlossen sind? Wo sind die abschließenden Ergebnisse der Obduktion?

c. Warum wurde mir ein Gespräch mit den Obduzenten verweigert, obwohl diese es führen wollten?

d. Warum wurden die Untersuchungen, die die Pathologen offensichtlich für notwendig erachteten, nicht mehr vorgenommen? Warum wurden sie für notwendig erachtet? Zum Hintergrund: Aus mehreren Obduktionsberichten ist erkennbar, dass Organe für weitere Untersuchungen einbehalten wurden. Was ist mit diesen geschehen?

d. Ist es üblich und zulässig, dass Obduktionen mit Ärzten im Praktikum durchgeführt werden?

e. Warum gibt es keine Feststellungen zu den Todeszeitpunkten ?

f. Warum sind Blutmengen in der Bauchhöhle bei der Obduktion von Herrn Wolff nicht festgestellt? Warum wird bei den Gutachten die Beschaffenheit der Schussverletzung in Frage gestellt? Was bedeutet dies?

g. In einem Gutachten wird festgestellt, die Beschaffenheit der Schussverletzung spricht nicht gegen eine Verursachung durch ein Vollmantelprojektil Kaliber 9 mm. Ist daraus zu schließen, dass die Beschaffenheit der Schussverletzung unter Umständen durch eine andere Projektilart erfolgt ist und/oder sein könnte?

h. Ist es üblich, mit ca. ml Blutwerten im Rahmen der Erfassung der Blutwerte im Obduktionsbericht zu arbeiten? Der Obduktionsbericht von Herrn Wolff spricht davon, dass Blut in den Bauchraum gesickert ist. Kann man hieraus den Schluss ziehen, dass eine aktuelle Blutung nicht gegeben war und Herr Wolff langsam verblutet ist? Ist eine Rückrechnung möglich, wie lange er noch gelebt hat und vor allem ist feststellbar, ob bei früherer Versorgung das Einsickern des Blutes hätte verringert oder gestoppt werden können? Hätte es dann bei früheren rettungsdienstlichen Eingriffen eine Überlebenschance gegeben?

i. Ist es üblich, innerhalb von Obduktionsberichten in der Weise, wie es geschehen ist, darauf hinzuweisen, dass die Opfer keine Überlebenschancen hatten? Beschleunigte die Gabe eines Schmerzmittels sowie eines Narkotikums den Tod von Herrn Lippe? Unverständlich ist, dass sich aus den Primärberichten ergibt, dass Herr Lippe zum Zeitpunkt des Beginns des Rettungseinsatzes zwar Luftnot hatte, aber ansprechbar war und eine vernünftige Herzfrequenz hatte. Mit der Gabe des Narkose- und Schmerzmittels ist er verstorben. Wodurch ist es zu erklären, dass Herr Lippe zwei Stunden bei vollem Bewusstsein ansprechbar war, durch das Haus gelaufen (nicht gekrochen) ist und dann mit Beginn der Behandlung verstirbt.
 
j. Unverständlich ist insbesondere, warum bei den Obduktionsberichten nicht festgestellt wurde, wie viel Blut in den jeweiligen Körpern überhaupt noch vorhanden war. Eine Prüfung der Obduktionsberichte ist aus diesseitiger Sicht damit nicht möglich.

k. Ist bei Frau Dr. Dettke erkennbar, ob die vorgenommenen notärztlichen Maßnahmen noch am lebenden Körper oder nach Eintritt des Todes vorgenommen wurden?

l. Hinsichtlich Susann Hartung und Ronny Möckel sind diese Personen zwischen 13:30 Uhr und 13:40 Uhr aufgefunden worden. Zum Zeitpunkt des Auffindens hat der Notarzt festgestellt, dass die Leichen noch warm waren, Todesflecken gab es keine. Eine Leichenstarre wurde im Bereich des Kiefergelenkes festgestellt. Warum berücksichtigt der Obduktionsbericht dies nicht?

25) Rettungswesen
Warum wurden vor Abschluss der Sicherungen keine weiteren Ärzte in die gesicherten Bereiche geführt? Warum verbietet man Ärzten, die bereit sind, sich in die bekannte Gefahr zu begeben den Zutritt bzw. den Austritt aus dem Sekretariat.
Zu befragen ist, was mit dem Rettungspersonal gewesen ist, insbesondere wo es war. Es gibt keine Dokumentation zum Einsatz. Es ist völlig unklar, wer zu welcher Zeit leitender Notarzt war und wer ihn eingesetzt hat. Frau W jedenfalls war nicht LNA, G erklärt, er habe M zum LNA eingesetzt. Wann ist dies erfolgt? Als ausgewiesenen Behandlungsplatz gab es lediglich den RTW von  P. Warum wurde in dieser Situation kein Behandlungsplatz  eingerichtet ?

26) Raum 208
Aus der Asservatenliste für Raum 208 Seite 69 Band 8 ergibt sich das Auffinden folgender Projektile: 
1. 53.114 ein Projektil gefunden im rechten Oberarm M
2. 53.3 ein Projektil auf dem Fußboden gegenüber der Tür
3. 53.4 ein Projektil hinter dem Blumentopf in der Wand
4. 53.5 ein Projektil im Fensterrahmen
5. 53.6 ein Brillenetui mit einem Projektil Schüler H
6. 53.7 ein Projektil vor dem Heizkörper
7. 53.8 ein Projektil L6 auf dem Boden
8. 53.9 ein Projektil bei der Operation aus dem Knie der Zeugin T entfernt

Entsprechend finden sich in Schlosshöhe des Türblattes 8 Durchschüsse. Allerdings ist im unteren Bereich des rechten Fensters ein Durchschussdefekt in der Scheibe. In der Tatortbeschreibung und auf den gefertigten Photographien gibt es keine Feststellungen, wo die Glasbruchstücke liegen. Aus der Beschreibung der Fundstellen ergibt sich, dass sich die Asservate 53.7 und 53.8 an zwei verschiedenen Stellen des Raumes finden und nicht im mittelbaren Zusammenhang stehen.

Im Rahmen des Kurzgutachtens des BKA Seite 176 ff werden die Asservate 53.7 und 53.8 als diverse Geschossteile aufgeführt. Auf Seite 182 des Gutachtens wird festgehalten, dass 57 Geschosse übergeben und verwahrt werden. Darüber hinaus ergibt sich aus der Tabelle drei, dass ein Geschossteil, nämlich 53.7, zur Untersuchung vorlag. 53.8 liegt dem BKA als Bleiteil vor.

a) Bedeutet dies, dass die Asservaten- und Spurenliste vom 23.05.2002 fehlerhaft ist?

Bei allen anderen am Tatort gefundenen Geschossteilen sind diese in der Asservatenliste als Projektilteile festgehalten, 53.7 und 53.8 ausdrücklich nicht.

Das Gutachten vom 29.10.2002 stellt fest, dass eine Entscheidung, welcher Treffer mit dem Körpertreffer bei Susann Harrung korrespondieren könnte, nicht möglich ist. Das im Hof gefundene Projektilteil 1.121 könnte der Durchschuss durch das Fenster sein. Das Gutachten stellt allerdings heraus, dass es auch möglich ist, dass dieses Geschoss dem Fensterdurchschuss in Raum 303, Komplex L11, zuzuordnen ist. Auf dem Hof wurde diesbezüglich nur ein Geschoss gefunden. Das Gutachten geht weiter davon aus, dass die Splitter 53.7 und 53.8 unter Umständen auf das auf den Metallfuß des Lehrerpults aufgetroffene Projektil zurückzuführen ist und dass der größte entstandene Geschosskörper dann die Knieverletzung der Geschädigten T verursacht hat. Sicher ist dies nicht. 

b) Warum kann nicht festgestellt werden, ob die drei Teile tatsächlich ein Projektil darstellen? Wenn dem so ist, ist die Asservatenliste in 3 Punkten fehlerhaft.

Aus dem Erstgutachten ist allerdings davon auszugehen, dass es sich bei 53.9 um ein vollständiges Projektil gehandelt hat und nicht um eine Absplitterung. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Verletzte T durch von dem Metallfuß am Lehrerpult  abgepralltes Geschoss im Knie getroffen wurde, dann sind die vorgefundenen Splitter 53.7 und 53.8 allerdings nicht verständlich.

Das Gutachten des BKA vom 12.06. vermerkt für die Asservatennummer 53.9 ein vollständiges Geschoss. Im Rahmen weiterer Feststellungen wird dieses als deformiert dargestellt, nie aber als unvollständiges Geschoss.

c) Wenn ein Geschoss durch das Fenster nach außen geflogen ist, gibt es im Raum ein Projektil, das nicht erklärbar ist.

Der Einschusswinkel Susann Hartung ist bis heute nicht erklärbar. Ein Schuss erfolgte an der Brustkorbvorderseite rechts auf einer Höhe von 118,5 cm, während der Ausschuss eine Höhe von 124,00 cm oberhalb der Fußsohle in der Rückenregion erfolgte. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Schusskanal von unten nach oben läuft. Die Einschüsse durch die Tür und alle anderen Patronen haben eine abfallende Flugbahn. Die aufsteigende Flugbahn ist nicht nachvollziehbar.

Vorstehende Feststellungen führten zu dem Fragenkatalog von Herrn Hartung. Die Anfragen hinsichtlich der festgestellten Einschusshöhen in der Tür und am Fenster sind nicht beantwortet. Diese lassen sich aufgrund fehlenden Maßstabes nicht aus der Ermittlungsakte entnehmen und sind deshalb angefragt worden. Darüber hinaus ging es darum, festzustellen, wo sich die Glassplitter des Fensters befinden. Hierzu sollte der von der Polizei gefertigte Videofilm eingesehen werden. Ein entsprechender Antrag wurde bei der Staatsanwaltschaft gestellt und im April positiv beschieden. Nachdem der Unterzeichner im April 2003 aus wohl nachvollziehbaren Gründen nicht in der Lage war, den Film unverzüglich einzusehen, erhielt er kurze Zeit darauf ein Mitteilung, dass sich Angehörige, die von dem Unterzeichner nicht vertreten werden, gegen eine Einsicht des Filmes durch den Unterzeichner ausgesprochen hätten. Der Hintergrund hierzu ergibt sich aus einer Feststellung von Herrn K vom 14.04.2003.

Herr K vertritt den Standpunkt, dass die Persönlichkeitsrechte der Hinterbliebenen verletzt werden, wenn der Unterzeichner das Video insgesamt sähe. Er hat deshalb Frau P und Herrn B angerufen und diese um ihre Zustimmung aufgefordert, die diese damit voraussehbar versagten. Daraufhin wurde dem Unterzeichner die Einsicht in den Film nicht nur insgesamt sondern auch in Teilen nicht mehr gestattet. Eine Aufklärung war dem Unterzeichner daher nicht möglich, so dass bis heute der Vater der verstorbenen Susann Hartung die Umstände des Todes seiner Tochter nicht nachvollziehen kann.

27) Zweiter Täter

Sehr geehrter Herr Dr. Wickler, dieses Thema ist für mich persönlich das Schwierigste. Ich habe keinerlei Interesse daran, dass sich die Zwei-Täter-Theorie bewahrheitet.
Allerdings ist der Umgang mit dem zweiten Täter vom ersten Tag an nicht nachvollziehbar. Einerseits benutzt man die Zwei-Täter-Theorie dazu, den verpassten Einsatz im Hause zu rechtfertigen. Andererseits wurde bereits am 1. Tag der Behauptung, es gäbe einen zweiten Täter, ausdrücklich und vehement widersprochen.
 
Die Zeugenbefragungen beispielsweise im Schülerfragebogen sind irreleitend.
In der Schülerbefragung wurde Wahrnehmungen zum Täter gefragt und danach gefragt, ob man einen zweiten Täter gesehen hat.
Ein eventuell zweiter Täter ist jedoch auch Täter. Die Fragerichtung verengt den Blick darauf, wie viele Täter man gesehen hat, nicht aber, ob neben S noch ein anderer Täter im Hause war. Sie stellt im wesentlichen darauf ab, ob man gleichzeitig zwei Täter gesehen hat und fragt nur im weiteren Sinne danach, ob der Täter, den man gesehen hat, mit S identisch ist.
Die Fragestellungen bei der Polizei waren von vornherein so, dass konkrete Wahrnehmungen teilweise nicht aufgenommen wurden. So hat beispielsweise D am Abend ihrer Vernehmung dem Unterzeichner gegenüber erklärt, dass ihre diesbezüglichen Wahrnehmungen nicht protokolliert worden sind und sie zu irgendeinem Zeitpunkt die Nase einfach voll hatte und deshalb Protokoll unterschrieben hat.

Frau S teilt der Kriminalpolizei am 30.04. mit (S. 183), dass sie für die psychologische Betreuung von Schülern zuständig ist. In Gesprächen kam sie zu dem Eindruck, dass diese sich nicht ernst genommen fühlen, wenn sie von einem zweiten Täter berichteten.

Eine Änderung der Befragungstechnik ist jedoch nicht vorgenommen worden.

In Anbetracht dessen, dass bei Lehrern und Schülern eine ganz erhebliche Angst vor dem Vorhandensein eines zweiten Täters besteht, ist es Aufgabe der Kommission, die Defizite zu den Ermittlungen zum zweiten Täter aufzuzeigen und gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft dafür Sorge zu tragen, die offenen Punkte aufzuklären.

Hierzu gehören:

In dem Abgleich (Seite 240) der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der zwei Täter gibt es einen aus meiner Sicht massiven Widerspruch. Es wird festgestellt, dass kein Zeuge angibt, zeitlich oder kurz aufeinander zwei Täter gesehen zu haben. Die Feststellungen sind falsch.
Im Übrigen erfolgt in dem Abgleich kein Vergleich des beschriebenen Täters. Die Aufstellung stellt allein auf das Sehen zweier Täter ab.

Viele Kinder (B, D, S, D, A, H, D, L, L, S, M, S. ) haben einen Täter auf dem Schulhof gesehen, der in die Luft schoss oder sich dort in anderer Weise bewegte. Nach den Bewegungsabläufen, vor allem nicht im Zusammenhang mit den Schüssen auf Frau Dr. Dettke, kann S jedoch nur einmal auf dem Schulhof gewesen sein.

Eine Reihe von Schülern beschreibt, dass der Täter in die Decke geschossen hat. Feststellungen zu Einschüssen in der Decke sind allerdings nicht gemacht worden.

Eine Erklärung, wo die Sporttasche mit dem Gewehr verblieb, als S nochmals ohne diese nach Hause ging, ist nicht erkennbar.

Frau L berichtet, dass der Täter zweimal in die Klasse kam und es sich um zwei unterschiedliche Personen gehandelt habe. Sie berichtet weiter, wie sich die Personen auf dem Gang mit den Worten unterhielten: „Was machen wir mit den Wänstern". Auch die Zeugin K hat eine Person schreien hören: „es ist doch eh alles egal„. Ermittlungen oder auch nur Nachfragen bei den Zeugen sind nicht erkennbar. Die Zeugin B berichtet ebenfalls von einem Gespräch von Steinhäuser mit einer zweiten Person.

Nach den vielen Aussagen erhält man den Eindruck eine zweite Person sei nur durch das Haus gelaufen, um eine bestimmte Person zu suchen ( vgl. beispielhaft: R, M F, H, H).

Im Einstellungsbescheid sind die Feststellungen, die fast alle Personen getroffen haben, die sich im Raum 203 aufhielten in keinster Weise verwertet. Ich erlaube mir Frau B wörtlich zu zitieren:

„Ich bin dann weg vom Fenster und hatte plötzlich die Idee, wir könnten Frau Burghardt im Nachbarzimmer helfen. Ich fühlte mich relativ sicher, da ich den Täter ja unten gesehen hatte. Ich öffnete kurz darauf die Tür von Raum 203. Da sah ich die schwarz gekleidet vermummte Person aus Richtung der südlichen Treppe in meine Richtung laufen. Dabei habe ich die Tür sofort wieder geschlossen. Am 30.04. erhielt ich zwischen 14:00 Uhr und 15:00 Uhr zuhause auf meinem Festnetzanschluss einen Telefonanruf. Eine männliche Stimme sagte zu mir „Ja, Ich habe Dich gesehen. „

Mehrere Personen ( vgl. L, G, R, T, W, R ) haben in kürzestem Abstand, nachdem sie den Täter auf dem Hof bei D gesehen haben, den Täter in der zweiten Etage gesehen. Die Zeugen  G, L, L, O, S, W berichten ebenfalls, zwei unterschiedliche Personen hintereinander gesehen zu haben. Zwei Kinder die sich in der Bibliothek in Sicherheit brachten, haben dort unmittelbar eine Täterbeschreibung beider Personen in den Computer gegeben und später der Polizei übergeben

Unverständlich ist insbesondere, dass die Zeugenaussage des Zeugen E, der als Polizist wohl am wenigsten traumatisiert war, in irgendeiner Weise Einfluss auf den Einstellungsbeschluss gefunden hat. Der Zeuge hat eindeutig erklärt, dass er sich aufgrund der Kürze des Abstandes seines Schusswechsels mit dem Täter und des Schusses auf Herrn Gorski nicht vorstellen kann, dass es sich um dieselbe Person gehandelt hat. Gerade dies im Hinblick auf die Situation um Herrn Gorski, die aus Sicht des Unterzeichners völlig ungeklärt ist. Hier besteht weiterer Aufklärungsbedarf.

Zwei Projektile sind entweder gar nicht vorhanden, abhanden gekommen oder jedenfalls nie gefunden worden. Ein weiteres Projektil wird ihm zugeordnet, wobei nicht erkennbar ist, aus welchen Gründen eine Zuordnung erfolgt. Festzuhalten bleibt, dass lediglich ein Projektil, nämlich das bei der Obduktion gefundene, tatsächlich der Leiche zugeordnet werden kann. Was ist mit den übrigen Projektilen ?

Es ist aus meiner Sicht mehr als fahrlässig, die Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, offen und ungeklärt zu lassen und derartige Ermittlungen entweder nicht zu führen oder nicht zum Gegenstand der Akte zu machen.

Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um die Zeugenaussage von Herrn M. Die Aussage ist durch K bestätigt worden. Aus der Aussage ergibt sich, dass er am Morgen der Tat gewarnt wurde, in der Schule zu erscheinen. Er hatte Herrn Z vorher im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung als Drogendealer bezeichnet. Dieser hatte ihm bereits vor dem 26.4.2002 mit Mord bedroht, so dass er diese Drohung am Morgen ernst nahm. Der Zeuge gab zudem an, dass er den Name S von Z mehrfach vernommen hatte, mithin bestand eine Verbindung zwischen den beiden. Herr Z wurde nicht einmal vernommen, oder das entsprechende Protokoll fehlt in der Akte. In der Zusammenfassung der vernommenen Zeugen und in der Akte findet sich der Name jedenfalls nicht.

Warum wurde in der vorgenommenen Versionenbildung keine Version aufgenommen, in der ein zweiter Täter durch das Haus gelaufen ist und eine bestimmte Person gesucht, diese aber nicht gefunden und daher nicht geschossen hat ?

Ich erhoffe eine abschließenden Beantwortung und verbleibe

mit freundlichen Grüßen


Eric T. Langer
Rechtsanwalt